Sonntag, 10. Januar 2010

Max und David in Nordvietnam

21.10.- 4.11.2009

Maxx und ich haben Vietnam unter uns aufgeteilt. Um über unsere dortigen Erfahrungen zu berichten, meine ich natürlich. Ich bin dabei für Nordvietnam zuständig, das wir vor fast drei Monaten bereist haben, wie mir ein Blick in den Reisepass ins Gedächtnis ruft. Inzwischen sitze ich nämlich im verschneiten Owschlag und Südostasien liegt weit entfernt.

Doch zunächst einmal müssen Maxx und ich irgendwie von Laos nach Vietnam gelangen. Und das möglichst schnell, denn wie Maxx bereits verraten hat, brauchten wir für unsere Reise durch Vietnam möglichst jeden Tag. So entschlossen wir uns von Thakek aus mit dem Bus direkt nach Hanoi zu fahren, 28 Stunden. Natürlich war uns klar dass das hart werden würde (für den Po im wahrsten Sinne des Wortes) und dann reisten wir doch ganz anders als erwartet.

Als wir den Bus gegen frühen Abend bestiegen, stellten wir nämlich fest, dass es nur im vorderen Teil Sitzplätz gab. Die waren natürlich alle belegt, bzw. besetzt. Die Liegeplätze waren uns vorbehalten. Und zwar waren im hinteren Teil des Busses die Sitze rausgenommen und anstelle bis knapp unter die Busdecke Säcke gestapelt.
Pessimistische Gedanken wie Überfrachtung oder was sich in den (angeblichen) Zuckersäcken befunden haben mag, blendet man in solchen Situationen besser aus und versucht sich so gut es geht einzurichten. Das ging eigentlich auch ganz gut- bis weitere Passagiere einstiegen und es sich um uns "gemütlich" machten. Maxx hatte jetzt rechts und links von sich jeweils einen Vietnamesen im Arm liegen, während ich meine Beine möglichst anziehen musste, da vor mir eine Schwangere lag. So ging das mehrere Stunden, in denen Maxx und ich uns gegenseitig einzureden versuchten, dass man sich auch eingeschlafene Körperteile als Erholung anrechnen könne.

So wirklich funktionierte das dann aber doch nicht und wir waren ziemlich froh, als am nächsten Morgen die Grenze öffnete, vor der wir das letzte Stück der Nacht gewartet hatten. Glücklicherweise sollte sich dann jedoch beim Grenzübergang ein Perspektive für mehr Beinfreiheit ergeben. Beim Einreichen der Pässe stand nämlich jemand mit einem mongolischen Pass neben uns. Agi war nicht nur eine willkommene Gelegenheit sich unser weniges Mongolisch ins Gedächtnis zu rufen, er erzählte uns ausserdem, dass er gerade in einem Bus mit zugewiesenen Plätzen auf dem Weg nach Hanoi sei. Auch wenn wir inzwischen ein inniges Verhältnis zu unseren Mitreisenden aufgebaut hatten, war die Aussicht auf einen eigenen Platz zu verlockend. Gegen Abend erreichten wir Hanoi.

Hanoi habe ich als unglaublich durcheinander erlebt. Die Häuser haben lauter bunte An- und noch mehr Aufbauten und ragen so gen Himmel, während sich dazwischen ein unglaubliches Verkehrswirrwarr schlägelt. Ziemlich müde war das ein anstrengendes Ankommen, aber nachdem wir erst einmal ein Hotel gefunden hatten und unsere Rucksäcke abgeladen hatten, begannen wir die Stadt recht schnell zu mögen.

Am nächsten Morgen liehen wir uns Fahrräder und liessen uns vom Verkehr treiben. Tatsächlich charakterisiert "sich treiben lassen" wohl am ehesten die Teilnahme am vietnamesischen Strassenverkehr. Würde man zum Beispiel bei dem Versuch die Strasse zu überqueren nach deutschem Vorbild auf eine Lücke im Verkehr warten, so käme man niemlas auf der anderen Strassenseite an. Stattdessen muss man einfach den ersten Schritt machen, die anderen reagieren dann schon und plötzlich sind Maxx und ich mittendrin.

Auf diese Weise erleben wir recht viel von der Stadt und sie gefällt uns beiden sehr. Maxx vergleicht sie mit Paris, was aufgrund der vielen kleinen Cafes durchaus berechtigt ist. In ihnen sitzen die Vietnamesen beisammen und geniessen den vietnamesichen Kaffee.

Oftmals kommen wir erst spät ins Hotel zurück. Hier versteht es ein Ire, Brian, unglaublich gut alle noch einmal zum Weggehen zu motivieren. Maxx und ich lassen uns also weiter treiben und es soll sich lohnen:

Unser eigentlicher Plan ist es nämlich mit Motorrädern von Hanoi bis Ho Chin Minh Stadt zu fahren, fast 2000 Kilometer. Bereits am Baikalsee hatten wir einen Amerikaner getroffen, der diese Strecke in umgekehrter Richtung gereist war und empfohlen hatte, sich dafür alte russische Maschienen zu besorgen. So hatten Maxx und ich auf unseren Radtouren um die Wette nach den berühmt, berüchtigten "Minsk" Ausschau gehalten, zwischen tausenden von Motorrollen bisher aber keine entdecken können. Als wir dann aber an einem Abend zuammen mit anderen aus dem Hotel in der Stadt unterwegs waren, erspähte Maxx eine Minsk und wie sollte es anders sein- der Fahrer hatte eine Visitenkarte von der Werkstatt in der Tasche. Superknacks!

Am nächsten Morgen standen wir aufgeregt wie zwei kleine Jungen in der Werksatt, wovon wir uns aus verhandlungstechnischen Gründen natürlich nichts anmerken liessen. Doch obwohl wir in einem reiseerprobten Wechselspiel, aus Begeisterung meinerseits und Skepsis vertreten durch Maxx, feilschten, kam uns der Händler mit dem Preis nicht entgegen. So haderten wir zwei Tage und entschieden uns letztlich zum Kauf.

Meine ersten Probefahrten hatte ich im Verkehr von Hanoi (Feuertaufe nennt man das glaube ich). Maxx erwies sich dabei als guter Lehrer, war ich doch noch nie mit einem nicht automatischen Zweirad unterwegs gewesen. Und jetzt einmal ganz durch Vietnam!

Leicht liesse sich unsere Reise auf den Motorrädern als Comedy aufziehen, Pointen böten sich zur Genüge. Dabei ginge aber verloren, dass wir durchaus Respekt vor dem Verkehr hatten, ich entgegen meinem üblichen Leichtsinn am Anfang sogar ziemliche Angst. Umso besser jedoch das Gefühl, es geschafft zu haben!

Aber ich merke schon, es muss endlich losgehen. Nach sechs Tagen Hanoi brechen wir nach letzten Reperaturarbeiten an Maxx Bremse (!) gen Halong Bay auf. Unsere einzige Möglichkeit dorthin zu gelangen ist die Hauptverkehrsstrasse A1. Dabei ist anzumerken, dass auch ausserhalb der Städte Vietnams für uns eher ungewohnte Verkehrsregeln gelten. "Hauptverkehrsstrasse" meint zwei Fahrbahnen, auf denen sich hauptsächlich Busse und LKW entgegendonnern. Neben jeder der beiden Fahrbahnen gibt es einen kleinen Seitenstreifen, der zum einen den kleineren Verkehrsteilnehmern (uns!) dient den entgegenkommenden Lastern auszuweichen (die sich von Kleineren natürlich nicht vom Überholen abhalten lassen) und ist gleichzeitig aber auch Sammelfläche für Schulkinder, Obststände oder gerne auch einmal einen Sandhaufen hinter uneinsichtigen Kurven.

Jeder beinahe Herzinfakt wird aber immer wieder mit fantastischer Landschaft belohnt, durch die wir uns frei bewegen. Das schönste Stück erreichen wir als wir an unserem Ziel, dem Meer, ankommen. Es ist zwar schon dunkel, aber das stete Branden der Wellen hat trotzdem die beruhigende Wirkung, die wir uns verdient haben. Geschafft.

Am nächsten Morgen setzten wir mit unseren Motorrädern auf einer Linienfähre zur Insel CatBa über. Dabei kommen uns lauter Touristenboote entgegen, die das fünfzigfache zahlen und trotzdem bekommen wir die gleiche Landschaft. Unzählige Limestone- Felsformationen an denen vorbei uns die Fähre zur Insel bringt.
Auf der Insel gibt es nur wenige Stassen und endlich wird das Fahren angenehm. Eine Mischung aus Meeresluft und Fahrtwind flattert durchs Tshirt und wir sind die freiesten Helden überhaupt.

Insgesamt bleiben wir drei Tage auf der Insel. Dabei unternehmen wir mehrere kleine Fahrten und spielen ausserdem mit den Einheimischen Fussball am Strand. Den Ball haben wir immer dabei und er hat für einige intensive Kurzfreundschaften gesorgt.
Am Morgen bevor wir aufbrechen mieten wir uns noch ein Kajak. Anders als in Deutschland stand uns somit nicht ein kleiner See zur Verfügung, sondern der Verleiher entliess uns quasi aufs offene Meer. So paddelten wir an mehreren bunten Hausbooten von Fischern und den Felsformationen vorbei und gelangten schliesslich zu einer Bucht, in der wir einen Sandstrand für uns ganz alleine hatten. Paradies.

Das wir aber verlassen, um wieder über die Insel und im Anschluss mit zwei anderen Fähren nach HaiPhong zu gelangen. Dort gibt es zunächst das von uns ausgesuchte Hotel nicht, später finden wir den von mir ersehnten Eisladen nicht und Internet gibts auch nicht. Also bald weiter.

Auf den Motorrädern wird aber ohnehin der Weg zum Ziel und auf der folgenden Etappe schaffen wir es auch über weite Strecken die A1 zu meiden. Dabei kommen wir zu einer Brücke (für die man jeweils Gebühr zahlen muss), an der die Zollbeamten total von uns begeistert sind. Sie laden uns zum Tee ein und für ein paar Fotos dürfen wir noch die Schranke übernehmen. Das ganze dauert nur zehn Minuten, füllt den Bauch aber für viele viele Kilometer mit Freude.

Wieder ist es schon dunkel, als wir endlich in NimBinh ankommen. Wieder sind wir dabei ziemlich müde, aber im Hostel soll uns eine schöne Überraschung erwarten. An einem der Tische sitzt nämlich Jamie, ein Bekannter aus Hanoi.
Am nächsten Morgen mietet der sich einen Motorroller und gemeinsam erkunden wir die Gegend. Dabei stellen wir zunächst enttäuscht fest, dass unsere Maschienen maximal 70 kmh eigentlich eher sogar nur 60 kmh fahren. Jamies Roller hat nämlich einen Tacho, der sogar funktioniert. Wir haben gar nicht erst einen und gefühlt hätte ich bis dahin geschätzt, wir würden über hundert fahren. Aber auch wenn es nicht stimmt, das Gefühl bleibt gut.

Zusammen unternehmen wir eine Bootstour durch mehrere Höhlen, vor der im Lonely Planet schon gewarnt wurde. Detaillgetreu ist in der Bibel der Reisenden geschildert, wie in jedem der Boote eine ältere Dame sitzt, die weniger des Antriebs halber mitrudert, als vielmehr um später dem Mitleid der Touristen ein saftiges Trinkgeld zu entlocken. Vorgewarnt ergreife auch ich gleich eines der Ruder und habe so später kein schlechtes Gewissen, ihr keines zu geben.
Auch als wir hinter der Haupthöhle auf ein paar Boote mit Getränken treffen und unsere alte Dame ganz durstig guckt ist Maxx vorbereitete und zieht aus seinem Rucksack eine schon vorher extra für die Dame gekaufte Wasserflasche. So müssen wir auf dem Rückweg nur noch etwa bei hundert kleinen Stickereien versichern, dass wir in unseren Rucksäcken nicht zu viel tragen können und verlassen letztlich das Boot, ohne etwas gekauft zu haben. So hatten wir diesmal gut lachen, generell bleibt es aber ein Wermutstropfen ständig mit einer Geldbörse verwechselt zu werden, sowie es andererseits natürlich schön ist sich eine leisten zu können.

Noch am selben Abend brach Jamie mit dem Bus weiter gen Süden auf. Wir zwei schliefen noch eine weitere Nacht und brachen früh am nächsten Morgen auf, hatten wir uns doch zum Ziel gesetzt 400 Kilometer bis kurz vor die (ehemalige und teilweise dennoch weiterbestehende) Grenze zu Südvietnam zu fahren. Es sollte anders kommen!

Dass an den Maschienen öfters etwas kaputt gehen würde war klar und "Kleinigkeiten" gab es so viele, dass ich sie bis hier gar nicht erwähnt habe (Zum Beispiel ging eine ganze Zeit mein Motor aus, wenn ich nicht fuhr, weshalb ich konstant rote Ampeln ignorierte, was in Vietnam widerum nicht ungewöhnlich ist).
Kurz vor Vinh hörte dann aber in voller Fahrt mein Motor auf zu laufen und plötzlich geht gar nichts mehr. Diagnose Motorplatzer. Ein Vietnamese der gerade neben mir gefahren war versucht zwar noch Anschwunghilfe zu leisten, hilft aber alles nichts. Wir sitzen fest wie mein Motor. Glücklicherweise gibt sich der Anschwunghelfer aber als Mechaniker zu erkennen, ruft zudem seinen Freund an und beide beginnen an der Maschiene zu tüfteln. Ausgang ungewiss, aber welche Möglichkeiten bleiben einem mitten auf der A1 übrig, als zu vertrauen! So warten wir im Gras neben dem berüchtigten Seitenstreifen- bis es dunkel wird.
Beim Licht von Taschenlampen wird weitergetüftelt. Längst sind auch mal die Bewohner der benachbarten Häuser zum Gucken gekommen. In China wären wir schon längst auf Tee eingeladen, hier Fehlanzeige. Immerhin dürfen wir über Nacht unsere Rucksäcke unterstellen, denn das mit dem Motor wollen die beiden über Nacht in ihrer Werkstatt lösen, während Maxx mich mit seiner Maschiene mit ins nächste Dorf nimmt. Auch wenn die ganze Geschichte irgendwie zum Ärgern wäre, ist es doch schön dass das Dorf direkt am Meer liegt und die letzten Ausläufer eines Sturms (der weiter südlich ziemliche Verwüstungen angerichtet hat) blasen die schlechtesten Gedanken aus unseren Köpfen.

Und tatsächlich können wir am nächsten Tag weiterfahren. Diesmal erschwert uns aber der Sturm die Fahrt, der uns noch am Vorabend auf bessere Gedanken gebracht hatte. Er bricht schon kurz nach unserer Abfahrt mit jeder Menge Regen über uns herein. Zum ersten Mal seit der Mongolei spüre ich das Gefühl von Kälte wieder, undzwar gleich so stark, dass mir beim Zähnezittern der Kiefer knackt.
Völlig durchnässt müssen wir irgendwann zum Tanken halten. Beide haben so kalte Hände, dass der Tankwart für uns die Tankdeckel aufschrauben muss. Um wieviel angenehmer wäre es doch in einem Bus mit Heizung zu reisen. Wir lachen trotzdem und sind umso glücklicher, als wir endlich unser Ziel erreichen.

Dong Hoi ist vor allem erst einmal trocken. Darüber hinaus liegt es direkt am Meer und hat einen schönen Strand. Im Hotel kommen wir mit einem älteren Norweger ins Gespräch, der zusammen mit seiner Frau reist und wegen des Unwetters auch unsicher wegen der Weiterreise in den Süden ist.
Am nächsten Morgen kommt er uns Verabschieden, als wir in einem eingespielten Ritual unsere Rucksäcke auf die Motorräder schnallen. Man kann in seinen Augen sehen, wie gern auch er so mit uns fahren würde. Ein gutes Gefühl zu sehen, dass man dabei ist das zu tun, was man später mal vermissen könnte. Weiter gehts.

Dong Hoi war die südlichste Stadt Nordvietnams, vor uns liegt die historische Grenze. Bevor wir die aber erreichen besichtigen wir die Tunnel, die die Vietcong zum Schutz vor den Amerikanern gegraben hatten. Es ergeht uns ein wenig wie mit dem Kajakfahren. Die Frau an der Kasse weist uns den Weg zum ersten Eingang und dann wandeln wir auf uns allein gestellt durch die engen verschachtelten Gänge. Das ist für einen Besuch sehr spannend, um auf Dauer dort zu leben aber ganz gewiss sehr schrecklich gewesen.

Wir fahren weiter und erreichen die historische Brücke, die über den Fluss führt, der Vietnam über lange Zeit geteilt hat. Auf der anderen Seite soll Maxx weiterschreiben und so übergebe ich zum letzten Mal an meinen guten Reisegefährten.

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