Donnerstag, 23. Juli 2009

Zugfahrt nach Minsk- Sie wissen, dass sie nichts wissen

Genau vor einer Woche haben Iannis, Max und ich uns am Berliner HBF getroffen, um wenig spaeter mit dem Zug nach Minsk zu fahren. Meine Aufgabe soll es nun sein, unsere Erlebnisse aufzuschreiben, damit wir sie mit euch teilen koennen. In der Hoffnung, dabei den Spannungsbogen nicht schon zu Beginn des Berichts zu zerreissen, nehme ich vorweg, dass wir alle noch am Leben sind, keiner verhaftet, ernstlich krank oder aehnliches ist....

Nach nun einer Woche zeichnet sich zudem die Erkenntnis ab, dass man vieles vielleicht ein wenig besser haette planen koennen. Unsere mangelnde Vorbereitung (zum Beispiel Hotelbuchungen, Anfragen bei Couchsurfing, genauere Lektuere der Reisefuehrer- oder uberhaupt der Landesgeschichte) bestimmen ein wenig die erste Zeit. Ich bezeichne das mal als Nichtwissen.

Solches Nichtwissen wird einem leider meistens bewusst, wenn es zu spaet ist. Ohne genauer darauf eingehen zu wollen, fiel uns schon beim Gepaeckvergleich am HBF auf, dass mancher einiges vergessen hat...

Aber eben nicht aenderbar, denn derZug sollte in absehbarer Zeit losfahren. Also schnell noch am Bahnhof ein paar Broetchen und die Herrenhandtasche Astra als Reiseproviant gekauft und ab in den Zug. Bzw. zunaechst einmal entlang des Zugs, bis zum letzten Wagon- dritte Klasse.

An unserem Wagen dann ein erster Ausblick auf eine Zeit voller Nichtwissen, in Form einer jungen Frau unseres Alters, die fuer unseren Wagen zustaendig war. Sie hat uns ebenso wenig verstanden, wie wir sie (der Versuch mit dem Turmbau zu Babel war ne ganz bloede Idee!). Auch der Versuch, sich mit einem Laecheln zu vergewissern, dass man sich schon irgendwie verstaendigen wuerde, eher gescheitert.

Dafuer war unser Abteil toll. Auf etwa vier Quadratmetern hatten wir gleich zu Anfang der Reise die Moeglichkeit, uns besser kennenzulernen. Zufrieden verteilten wir also all unser Gepaeck relativ willkuerlich auf dem Bett kurz unter der Decke. Zwei weitere Betten waren darunter angebracht, eines hochgeklappt, so dass wir auf dem dritten sitzen konnten. Ein kleiner Hocker bot die Moeglichkeit im Dreieck zu sitzen (Seitenlaenge in Zentimetern gemessen). Das war dann auch gleich die iedeale Grundvoraussetzung fuer ein Spiel Skat, als Minskmeisterschaft deklariert und mit einer Flasche Vodka dotiert.

Tatsaechlich fanden sich auch Zuschauer ein. Ein paar Abteile weiter reiste ein kleines Maedchen mit ihrer Mutter, die uns zusammen mit dieser mehrere Besuche abstattete. Zunaechst war das schoen, weil sie im Gegensatz zu den Leuten um uns deutsch sprach. Spaeter wurde es etwas viel. Im Endeffekt sollte es sich aber gelohnt haben, denn sie hatte eine Gabe auf die ich spaeter zu sprechen kommen werde, und ihre Zurechtweisung, dass wir mal Aufraeumen muessten (sie war uebrigens acht Jahre alt) leitete spaeter den gemuetlichen Teil des Abends ein.

Der Begann, als das Maedchen, Rosa uebrigens, zu Bett musste. Jetzt erreichte die Minskmeisterschaft (gegen Ende einer als Andenken an Maxx Mama geteilten Eierlikoerflasche) ihre entscheidende Phase und letztlich tat sich Iannis als edler Spender einer in Russland zu trinkenden Flasche Vodka hervor. Kurz vor Mitternacht teilten wir uns dann noch auf dem Warschauer Hauptbahnhof eine Gutenachtzigarette und bauten anschliessend unsere Betten. Iannis lag zu unterst, Max in der Mitte und ich wenige Zentimeter unter der Decke. Alles sollte seine vor und Nachteile haben...

Doch zunaechst lag jeder fuer sich und alle moegen wohl in diesen "ruhigen" Momenten (bevor einen die Gleisnaehte in den Schlaf schuettelten) ihre eigenen Gedanken gehabt haben. Ich bin im Kopf noch einmal die vielen Abschiede durchgegangen und finde, dass wir das sehr gut gemacht haben. So schlief ich mit guten Gedanken und vor allem tief (viele Abschiede waren Partys) ein.

Bis allerdings Mitten in der Nacht ein unschoen grelles Deckenlicht die Grenzkontrolle ankuendigte. Da es kurz vor drei war haette man durchaus muede sein koennen, tatsaechlich ist Adrenalin aber effektiver als Espresso (man sollte uber einen Grenzkontrollwecker nachdenken) und die Soldaten, die jetzt den Zug bestiegen, sorgten durchaus fuer inneres Kribbeln.

Nach etwa einer halben Stunde, die wir uns teilweise mit "Schlimmst-Moeglich-Phantasien", teilweise aber auch mit Humor, vertrieben, kam der erste Soldat in unser Abteil. Seiner Anweisung "Passporta" begegnete Iannis souveraen mit dem Aushaendigen seiner Registrationkard. Vielleicht haette das besser laufen koennen, aber immerhin waren von da an die Sprachverhaetnisse geklaert. Der Soldat beharrte auf seiner Forderung "Passporta" und schloss das sich ewigkeiten anfuehlende studium von iannis Reisepass mit den Worten "N--ja--nes Kaaas". Das Prozedere wiederholte er zunaechst mit Maxx und anschliessend mit meinem Pass. Dabei wurde er immer sicherer in der Aussprache und auch wir empfanden das in Anbetracht der Umstaende als durchaus freundliches Willkommen in einer fremden Welt.

So liess auch die Anspannung nach und zwischen zwei weiteren Kontrollen unserer Paesse schliefen wir sogar ein. Wobei Iannis bei jedem neuen Klopfen erneut als souveraener Ansprechpartner auftrat (merke, dass Bett ganz unten ist anstrengend).

Nach etwas ueber zwei Stunden zeichnete sich das Ende der Kontrolle ab, und obwohl es Mitten in der Nacht war, waren wir alle drei bester Stimmung. Nahezu ausgelassen wurde sie, als Maxx mit geschlossenen Augen auf dem Ruecken liegend seine Arme gen Flur ueber den Kopf streckte und ein vorbeikommender Soldat ihm einschlug.

Aber wisse, bzw lerne, fuehle dich niemals sicher, denn gerade dann passierts! Und tatsaechlich schloss sich der Passkontrolle eine Frau ebenfalls unseres Alters, sowie ebenfalls ohne Ueberschneidungen im Wortschatz, an. Nachdem wir uns eine ganze Weile konsequent nichtverstanden, ueberreichte sie uns einen Zettel auf dem auf deutsch geschriebn stand, dass wir nur einreisen duerften, wenn wir jeweils 5000 Euro Versicherung zahlen. Was tun, wo keine Moeglichkeit der Verstaendigung?

Auf einen Retter hoffen. Unser war acht Jahre alt und konnte nicht nur deutsch, sondern eben auch russisch sprechen. Zunaechst hat also Rosa fuer uns gedolmetscht, spaeter ihre Mutter und letztlich konnten wir klaeren, dass wir auch ohne Geld zu zahlen, unsere Reise fortsetzen konnten.

Und so erreichten wir am Vormittag des naechsten Tages Minsk mit der Erkenntnis, vieles nicht zu wissen. Einerseits macht das unsicher, andererseits laesst es alle Moeglichkiten offen...


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